Geschichte
Fährgeschichte(n)
Die Familie Maul, die seit über 50 Jahren die Fähre zwischen Ingelheim und Oestrich-Winkel betreibt blickt auf eine lange Tradition von Schiffern zurück. Und wohl von Anfang an hat das Fährgeschäft dazu gehört. Hier ein kleiner Überblick über die Geschichte(n) der Fährleute und der Fährmannsfamilie Maul.
Ursprünge
Ihre Wurzeln hat die Familie Maul im schönen Rüdesheim am Rhein. Hier taucht der Familienname zum ersten Mal als Mitglied der „Ferger“ Gilde auf. Die Ferger waren die Schiffsleute, aber wie der Name schon sagt auch immer die Fährleute des Ortes. Traditionell wurde der Fährverkehr aus Rüdesheim nach Bingen nämlich von den Rüdesheimer Schiffern betrieben.
„Die Ferger – vom Nachen zum Motorschiff“
Ferge/r:
mittelhochdeutsch „ver(i)ge“, „verje“, althochdeutsch „fer(i)go“, „ferio“, zu: „far“, die Überfahrtstelle
Fährregal und Fährgerechtsame
Beide Begriffe stammen aus dem Mittelalter und begegnen uns auch heute noch. Das Fährregal beschreibt dabei das hoheitliche (Regal = königliches Recht) Recht eine Fährstelle zu vergeben. Heute hat der Bund dieses Recht durch das Wasserhaushaltsgesetz an die Länder übertragen, die so für die Vergabe des Rechtes eine Fähre zu betreiben zuständig sind.
Die Fährgerechtsame (Fährrecht) wiederum ist das vergebene Recht eine Fährstelle zu betreiben. Heute geschieht dies durch Verträge zwischen Land und Fährbetreiber, allerdings bleibt „altes Recht“ hiervon unberührt. Viele Fähren im Mittelrheintal beziehen auch heute noch ihr Fährrecht aus Jahrhunderte alten Fährgerechtsamen die durch die neue Gesetzgebung unberührt bleiben.
Dies änderte sich grundlegend erst mit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert. Durch einen Unfall mit einem „neumodischen“ Dampfschiff 1876 und die Konkurrenz durch die Reichsbahn fiel das Fährrecht an die Reichsbahn.
„Die Explosion des Fährdampfers ‚Luise‘“
Nach einem schwierigen Prozess gelang es schließlich den Rüdesheimer und Binger Schiffern gemeinsam das Fährrecht zurück zu klagen und 1932 mit der neu gegründeten „Bingen-Rüdesheimer Motorbootgesellschaft” (heute die Bingen-Rüdesheimer Fähr- und Schiffahrtsgesellschaft e.G.) den Fährdienst wieder zu übernehmen. Auch die Familie Maul war erst durch Anton Maul und später Michael Maul sen. in der Genossenschaft maßgeblich engagiert und ist es noch heute.
Hallo: Der informelle deutsche Gruß „Hallo“ stammt möglicherweise von „Holla“ ab, dem verkürzten Ruf „hal över“, mit dem der Fährmann gerufen wurde. Dafür spricht auch dass das amerikanische „Hello“ vor den 1880er Jahren in den USA als Begrüßung unüblich war und ebenfalls von Halloo, einem Ruf an einen Fährmann abgeleitet sein soll.
Eine (Fähr-) Familie unterwegs
Michael Maul sen. begann Ende der 50er Jahre sich auch außerhalb des Rheingaus zu engagieren.
Kölner Personenfähre
Bis 1966 betrieb Horst Maul eine Personen-Fähre für Ford-Arbeiter von den Wohnheimen in Stammheim nach Niehl in die Fordwerke. 1966 übernahm Horst Maul die Fahrzeugfähre in Germersheim
BILD FÄHRE KÖLN
Duisburger (Walsum) Fahrzeugfähre
1958 kam in Duisburg-Walsum eine Fahrzeugfähre hinzu. Geleitet wurde der Betrieb bis 1998 von Heinz Zimmer, der die Fähre schließlich auch erwarb. Die Fähre wird heute von seinem Stiefsohn Dirk Nowakowski betrieben
Germersheimer Fähre
1966-1971 betrieb Horst Maul in Germersheim bis zur Fertigstellung der Germersheimer Rheinbrücke eine Fahrzeugfähre nach Rheinsheim. Hier lernte er auch seine spätere Frau Ingrid kennen.
Fähre Ingelheim – Oe.-Winkel
1968 kam die Familie Maul dann fast wieder bei Ihren Ursprüngen an. Sie übernahm die Fährstelle in Frei-Weinheim.
„Die Fahrgemeinschaft in Frei-Weinheim und der Hafenverkehr mit Sprengfahrt und Marktfahrt“
So verband bis 1967 eine, eher unregelmäßig verkehrende, Personenfähre Freiweinheim mit dem hessischen Mittelheim.
Mit viel persönlichem Engagement und Sachkenntnis trieb Michael Maul sen. ab Mitte der 1960er Jahre seine Idee einer Fahrzeugfähre in Oestrich-Winkel/Ingelheim bei Politik und Verwaltung voran. Aus heutiger Sicht überraschend traf er dabei durchaus auf viel Wiederstand – insbesondere das Argument, dass die Brücke in Geisenheim doch bald fertig ist und die Fähre damit obsolet werde, wurde immer wieder vorgebracht.
Glücklicher Weise handeln Fährleute lieber als dass sie reden – und so fand die Jungfernfahrt der Fähre Cornelia am 30. März 1968 unter viel Aufsehens von Oestrich-Winkel nach Ingelheim und ab 1. April dann der Regelbetrieb statt. Geleitet wurde die Fährstelle anfangs von Albert Kraft und seiner Frau Wisa, geb. Maul. Im Zuge der Umstrukturierung und Aufteilung der Firma Maul KG übernahmen dann der Bruder von Wisa Kraft, Horst Maul 1971 die Fährstelle. Bereits 1975 war eine Verbreiterung des Fährschiffs von 12 auf 18 Pkw notwendig und es fuhr nun unter dem Namen Tanja, der Tochter von Horst und Ingrid Maul. Dieser Name sollte später noch an Bedeutung gewinnen (s. Kap. Fährbetrieb Tanja)
Die Fähre bekam so den Ruf sehr zuverlässig zu verkehren und wurde mit immer steigenden Beförderungszahlen belohnt. 1986 wurde daher das Fährschiff Michael (nach dem Sohn benannt) mit einer Kapazität von 32 Fahrzeugen angeschafft und für den Dienst hier ertüchtigt. Die Michael ist heute noch eine der größten Fähren auf dem Rhein. 1998 erfolgte dann der Einstieg von Michael Maul in die Firma, der sie bis heute führt.
Der Fährbetrieb Tanja in Darchau an der Elbe
Nach dem sich die neuere und große Michael in Oe.-Winkel etabliert hatte wurde die Fähre Tanja 1991 nach Darchau / Neu-Darchau an die Elbe verkauft. Hier wurden nach dem Fall der Mauer alte Verbindungen wiederbelebt. Horst Maul hat hier nicht nur seine Fähre eingebracht, sondern durch viel persönliches Engagement geholfen die erste Fährstelle über die ehemalige Zonengrenze zu errichten. Und da der Name „Fähre Tanja“ bei der Bevölkerung sofort Anklang fand, entschied man sich nach kurzer Zeit den Namen für den ganzen Betrieb und später auch für die folgende Fähre (Tanja 2) zu übernehmen. So betreibt heute noch der Fährbetrieb Tanja mit der Fähre Tanja 2 den Übersetzverkehr zwischen Darchau und Neu-Darchau an der Elbe.
Fährbetrieb Gemünden
2014 wand sich die Stadt Gemünden an Michael Maul. Sie hatte nämlich ein Problem. Die Stadt am Main verfügte über die einzige Brücke im weiteren Umkreis, aber diese musste dringend erneuert werden. So kam im Februar 2017 eine weitere Fährstelle hinzu. Wenn auch nur für knapp 2 Jahre. Für die Dauer des Neubaus der Gemündener Brücke übernahm Michael Maul zusammen mit Michael Schnaas (Fähre Lorch) die Aufgabe einen Fährbetrieb in Gemünden zu Planen und durchzuführen. Und das so erfolgreich, dass man am Ende die Fähre gar nicht mehr gehen lassen wollte.
Die Ferger – vom Nachen zum Motorschiff
Beiträge zur Rüdesheimer Stadtgeschichte, herausgegeben von Stadtarchivar Rolf Göttert
© Alle Veröffentlichungsrechte sind dem Stadt-Archiv Rüdesheim am Rhein vorbehalten
Begafft von einer großen Volksmenge ritt 1324 unser Landesherr, der Erzbischof von Mainz vor Niederwalluf in den Rhein soweit ihn das Pferd tragen konnte. Dann griff er zum „Hubhammer” (Streitaxt) und schleuderte ihn weit über den Rhein. Diese sportliche Höchstleistung entschied über die Ausdehnung des Rheingaues, denn dort, wo der Hammer ins Wasser plumpste, verlief fortan die Grenze des erzbischöflichen Herrschaftsbereiches mit den Privilegien der Zollerhebung, des Fischfangs und der Schiffahrt. Zu Letzterem gehörte auch das „Fährregal”, nämlich das Recht, gegen Gebühren Lizenzen zur Beförderung von Personen und Gütern zu vergeben. Weil die Rheingauer „seit unvordenklichen Zeiten” besondere Vorrechte im Mainzer Staat genossen, durften die Rüdesheimer Schiffer schon im 14. Jahrhundert den Fährbetrieb nach Bingen und Kempten betreiben und mit einem eigenen Marktschiff nach Mainz fahren. 1556 beschrieb der Rüdesheimer Gemeinderat in einer Neufassung der Fergerordnung die Rechte und Pflichten der „Ferger”, also jener Schiffer, die als eine Genossenschaft den Verkehr nach Bingen besorgten. Dieser war recht rege, da der Binger Wochenmarkt eine wichtige Einkaufsquelle für den Rheingau bedeutete.
Der „Fergerzunft” standen als aufsichtsführende „Obermeister” Oberschultheiß und
Bürgermeister des Fleckens Rüdesheim vor. Zugleich wählten die Schiffer unter sich jährlich zwei Zunftmeister, die in einem Fahrplan bestimmten, welche Nachen in wechselnder Reihenfolge die Überfahrt nach Bingen zu besorgen hatten. Vor allem mittwochs, am Binger Markttag mußten sie vom Rüdesheimer Markttor sommers um 5 Uhr, Winters um 7 Uhr früh abfahren und um 12 Uhr vom Binger Zollhaus wieder zurückrudern oder segeln. Die Nachen fassten 12-20 Personen und hatten je nach Nachfrage in ausreichender Zahl bereitzuliegen. Alles Fährgeld, das nach einem vom Gemeinderat festgelegten Tarif erhoben wurde, kam in die gemeinschaftliche „Mittwochsbüchse” und wurde an jedem Mittwochabend von den Zunftmeistern unter den Schiffern leistungsgerecht verteilt. Die Schiffer waren verpflichtet, jedermann, Einheimische wie Fremde zu befördern, ihnen höflich zu begegnen, reinlich gekleidet zu sein und stets eine richtiggehende Uhr mit sich zu führen. Verstöße wurden mit Naturalstrafen in Wein oder Kerzenwachs geahndet.
Um den Nikolaustag im Dezember feierten die Ferger ihren „Jahrtag”, der mit einem Gottesdienst begann, bei dem die prächtige Zunftfahne und dicke Kerzen in die Kirche getragen wurden (die kupfernen Kerzenleuchter befinden sich heute noch dort). Sodann versammelten sich die Schiffer bei ihrem „Zunftvater” (1792 war es der Gasthalter Schließmann im Gasthaus zum Schwanen in der Rheinstraße, heute Parkhotel). Gegen einen billigen Beitrag erhielten sie mehrere Schoppen Wein und ein gehöriges Stück Weißbrot als Imbiß. Nach der Wahl der Zunft-, Bruder- und Jungmeister erfolgte der Kassensturz, wobei. auch der Magd, welche das Jahr über die Zunftstube reinhielt, ein kleiner Obolus überreicht wurde.
Schließlich ließen die Schiffermeister ihre Schiffsjungen, welche sie zur Lehre angenommen hatten, ins Zunftbuch einschreiben. Diese sollten tunlichst aus einer zünftigen Schifferfamilie stammen, guten Leumund haben und schreiben und lesen können. Nach 3 Jahren wurden sie als
“Schiffsknechte” freigesprochen und für 2-3 Jahre auf die Wanderschaft geschickt. Wenn sie schließlich 25 Jahre alt, in einer Rheingaugemeinde als Bürger aufgenommen, von der Landesbehörde ihr Schifferpatent erhalten, ja, wenn sie Sohn eines Schiffers waren oder eine Schifferstochter geheiratet hatten, konnten sie als Schiffermeister in die Zunft aufgenommen werden. Der Rüdesheimer Fergerzunft gehörten auch Schiffer von Oestrich bis Lorchhausen an und man zählte um das Jahr 1800 fast 40 Schifferfamilien, die seit Generationen ihr Handwerk betrieben (die Rüdesheimer Familie Maul ist seit ca. 300 Jahren auch heute noch „schiffisch”) Kein Wunder also, wenn die Zunftmeister oft zögerten, durch Neuaufnahmen den Kreis jener, die auf dem Rhein ihr Brot verdienen wollten, auszudehnen. Bis 1827 betrieben die Rüdesheimer Ferger ihr Handwerk nach altem Brauch. Neben der „Querfahrt/Zwerchfahrt” nach Bingen bedienten sie auch in der Längsfahrt zwischen Mainz und Koblenz den Personenverkehr. In der zeitgenössischen Reiseliteratur wurden die Rüdesheimer „Wasserdiligencen” als besonders komfortabel gerühmt. Mit der Dampfschiffahrt brach ein neues Zeitalter an und die Rüdesheimer Schifferfamilie Sinzig versuchte 1874, mit einer Dampfschaluppe „Louise” das Übersetzen zu beschleunigen. Am Sonntag, 26.4.1876 lag gegen 14.30 Uhr dieses Bootchen mit 37 Passagieren vor dem Rüdesheimer Hotel Post zur Abfahrt bereit, als durch einen Bedienungsfehler der Kessel der Dampfmaschine explodierte und das Schiff in Stücke riß. Die Kesseltrümmer flogen 90 m weit bis zur Boosenburg. 9 Personen ertranken oder erlagen den schweren Verbrühungen. (Näheres hierzu berichtet ein späteres Kapitel.) Diesen Unfall nahm die königlich-preußische Eisenbahn zum Anlass, fortan den Personen- Fährbetrieb mit eigenen Dampfschiffen selbst zu betreiben. Mit der preußischen Landnahme von 1866 war nämlich das kurmainzische Fährregal an den preußischen Fiskus übergegangen, der die Fährkonzession an die Eisenbahn übergab. (Von 1889 bis 1900 betrieb die Bahn zusätzlich noch eine Spezialfähre für Eisenbahnwaggons zwischen Rüdesheim und Bingerbrück.) Der Rüdesheimer Bürgermeister Alberti konnte aber in jahrelangen Verhandlungen beweisen, daß nach der Urkunde von 1556 die Rüdesheimer (nicht aber die Binger) Schiffer weiterhin das Recht der Fährschiffahrt nach Bingen hatten. So gab es forthin 3 Möglichkeiten, nach Bingen zu gelangen: 1. mit den 4 Dampfern der Eisenbahn; 2. mit den Dampfern der Köln-Düsseldorfer Rheindampfschiffahrt (die ja Rüdesheim und Bingen im Linienverkehr anliefen); und 3. mit den 29 Nachen der Rüdesheimer Ferger. Daß dabei auch die Binger Schiffer mitmischten, bewies am 17.4.1900 ein schlimmes Fährunglück, bei dem in einem lecken Binger Nachen 18 junge Leute ertranken.
1914 kam als weitere Konkurrenz die neue Hindenburgbrücke hinzu, die aber nur in beschränktem Umfang Personenverkehr zuließ. Die Rüdesheimer Schiffer hatten sich nach dem 1. Weltkrieg immer mehr Motorboote zugelegt und der Streit untereinander und mit der Eisenbahnfähre verschärfte sich. In einer Konferenz aller Beteiligten wurde den Schiffern empfohlen, sich in einer eigenen Gesellschaft zusammenzuschließen, die am 31.1.1932 endlich als „Bingen-Rüdesheimer Motorbootgesellschaft” (heute die Bingen-Rüdesheimer Fähr- und Schiffahrtsgesellschaft e.G.) ins Leben gerufen wurde. Die Eisenbahn zog sich danach aus dem Fährgeschäft zurück und seitdem betreiben die „Bingen-Rüdesheimer” den Fährbetrieb mit mehreren Motorschiffen, die der Volksmund pauschal das „Binger Schiffchen” nennt.
Rhein – Eis
Beiträge zur Rüdesheimer Stadtgeschichte, herausgegeben von Stadtarchivar Rolf Göttert
© Alle Veröffentlichungsrechte sind dem Stadt-Archiv Rüdesheim am Rhein vorbehalten
Januar 1799: Seit Wochen herrschte draußen eine klirrende Kälte bis zu minus 30 Grad und an Feldarbeit war nicht zu denken. Am Rheinufer gefror das Wasser zu einem dünnen Eisrand, von dem die Strömung immer wieder Stücke abriss. Das Treibeis setzte ein, erst zaghaft, dann wuchsen
die Eisschollen oder „Schilben” zu einer Dicke bis zu 40 cm heran. Bald kam das Main-Eis hinzu, bis zu 100 Quadratmeter große Stücke, die sich polternd aneinander rieben, im Kreise drehten und zu immer größeren Eis-Inseln zusammenfroren.
Jetzt war es höchste Zeit, Schiffe, Boote und Landestege in Sicherheit zu bringen, weiter stromauf in schützende Buchten zu schleppen oder aufs Land zu ziehen (erst 1829 wurde der Rüdesheimer Winterhafen gebaut, der Binger folgte 1890). Die mächtigen Eisschollen stauten sich schließlich an
den Engstellen des Mittelrheins, am Roßstein oder an der Loreley, wo sie von den Felsbänken aufgehalten wurden. Sie schoben sich übereinander, bäumten sich senkrecht auf, wurden von dem ständig nachfolgenden Eis unters Wasser bis zur Rheinsohle hinabgedrückt und mit ungeheuerem
Druck zu einer Eis-Barriere zusammengepresst. (Versuche in späteren Jahren, diese Eisbarriere mit Dynamit-Ladungen oder gar Bombenabwurf zu brechen, schlugen stets fehl). Innerhalb von wenigen Tagen wuchs der Eispanzer des Rheins viele Kilometer stromaufwärts bis Rüdesheim oder
gar über Mainz hinaus, keine spiegelglatte Fläche, sondern ein wildes Gewirr von meterhoch aufgetürmten Eiszacken. Das von dem gewaltigen Eispfropfen aufgestaute. Rheinwasser stieg von Stunde zu Stunde und schob die Eisbrocken weit aufs Ufer hinauf.
Der Fährverkehr zwischen Rüdesheim und Bingen war durch dieses Naturereignis längst lahmgelegt und die Schiffer hatten Zeit, einen sicheren Weg übers Eis zu suchen. Obgleich die Eisdecke meterdick war, gab es zwischen den Schollen noch offene oder dünn überfrorene Stellen. Wer hier
einbrach und von der Strömung unters Eis getrieben wurde, war rettungslos verloren. Also galt es für die Schiffer, vorsichtig zu sein und ersten Schritte auf dem Eis angeseilt und mit einer quergehaltenen Stange zu wagen. War endlich eine sichere Passage übers Eis von Ufer zu Ufer
gefunden, wurde sie geebnet, mit Sand gestreut und mit kleinen Tannenbäumchen markiert. Jetzt erst hatte das Volk das Vergnügen, zu Fuß den Rhein zu überqueren, wofür den Schiffern ein Obolus entrichtet wurde. Ein wahres Volksfest wurde daraus, Stände auf dem Eis hielten Glühwein
und heiße Würstchen bereit und die Küfer fügten auf dem Rhein große “Eis-Fässer”, deren Inschriften an ihre merkwürdige Entstehung erinnerten.
Anders war es freilich in Kriegszeiten, wenn feindliche Truppen versuchten, übers Eis in den Rheingau einzudringen. Dann mußten die Bürger der Rheingaugemeinden zum „Eisen” heran und vor dem Ufer eine eisfreie Rinne offenhalten, die von niemanden überschritten werden konnte. –
Auch für die Wasservögel kam eine harte Zeit, denn ohne offenes Wasser fanden sie kaum Futter, und mehr als einmal mußten sie qualvoll verenden, weil sie nachts mit den Füßen auf dem Eis festgefroren waren.
Diese Eiszeit dauerte wochenlang bis in den Februar hinein. Setzte dann aber Tauwetter ein, wurde aus dem winterlichen Vergnügen eine mörderische Gefahr. Jetzt hieß es wachsam sein: Der Rüdesheimer Gemeinderat postierte 1799 die Feldschützen Georg Rudolph und Dahlum’s Schorsch
als Späher an der Rossel auf dem Niederwald. Sobald diese von ihrem hohen Ausguck sahen, daß weit unterhalb von Assmannshausen das Eis „aufging” und zu Tal trieb, entzündeten sie auf dem Niederwald ein mächtiges Feuer und warnten so die Rheinorte vor der herannahenden Gefahr. In
Rüdesheim wurde mit Böllerschüssen Alarm gegeben und alles, Schaulustige wie Helfer eilten ans Ufer. In der Nacht wurden dort nach und nach 250 mit Pech getränkte Kränze aus Fichtenreisig angezündet, die das Geschehen schauerlich beleuchteten.
Schon von ferne hörte man, wie mit Donnerschlägen die Eisdecke zerbrach, die wie ein riesiger Hobel alles mitriß, was am Ufer stand: Bäume, Häuser, ja ganze Auen. Gegen diese Gewalt suchte sich Assmannshausen wie die anderen Orte im engen Mittelrheintal durch eine meterdicke
Steinmauer, die sogenannte „Eis-Mauer” zu schützen (später verbarrikadierten sie ihre Rheinfront durch aufgerichtete Eisenbahngeleise). Die Rüdesheimer hatten hierfür ihr eigenes Patent: den “Eisbrech”, vor dem Adlerturm aus schweren Sandsteinblöcken und Eisenklammern gefügt, der im
19. Jahrhundert durch einen zweiten Eisbrech am Köln-Düsseldorfer-„Dampfbootsbock” ergänzt wurde. Diese Bollwerke sollten die herantreibende Eismasse vom Ufer abdrängen, wurden dabei aber oft genug lädiert (Schon das alte Hengerathsbuch notiert 1710, daß von altersher die
kurmainzische Landesverwaltung solche Schäden am Eisbrech zu ersetzen hätte).
Auch mußten die 25 Rüdesheimer Schiffer unterhalb der Brömserburg mit Bootshaken die aufs Ufer geschobenen Eisschollen ins Wasser zurückdrängen, um eine Überschwemmung durch rückgestautes Wasser zu verhindern. Selbst die mit schweren Eichenstämmen vor der Steingasse als Landeplatz für Fährnachen befestigte „Kribb” wurde vom Eis restlos abrasiert. Wie die hier geschilderten Ereignisse anno 1799 ging es in vielen Jahren. Schon im 9. Jahrhundert schrieb man vom Eisgang, im 15. Jahrhundert erstarrte der Rhein wenigstens siebenmal im Eis und das 19. Jahrhundert zählte gar 20 Eisgänge. Doch in unserer Zeit sind sie seltener geworden: nach 1895 erst wieder 1929, dann 1941 und 1942, und zuletzt 1954 und 1956. Grund hierfür sind klimatische Veränderungen und die Verunreinigung des Rheines mit salzhaltigen Chemikalien, die den Gefrierpunkt des Rheinwassers herabsetzen.
Manche Begebenheit vom Rheineis ist in alten Chroniken überliefert. So die Geschichte der „Eis-Anna“: Anna, ein tüchtiges Milchmädchen ging trotz der grimmen Kälte täglich übers Eis nach Bingen, um für ihre Rüdesheimer Kundschaft frische Milch zu holen. Eines Morgens wurde sie mitten auf dem Rhein vom aufgehenden Eis überrascht. Geistesgegenwärtig ließ sie ihre Milchkannen fallen und sprang mutig von einer Eisscholle zur anderen und gelangte so glücklich ans Binger Ufer, wo sie von einer entsetzten Menschenmenge naß, aber heil ans Land gezogen wurde.
Die Explosion des Fährdampfers „Luise“
Beiträge zur Rüdesheimer Stadtgeschichte, herausgegeben von Stadtarchivar Rolf Göttert
©Alle Veröffentlichungsrechte sind dem Stadt-Archiv Rüdesheim am Rhein vorbehalten
Über die geschichtliche Entwicklung der Fährschiffahrt zwischen Rüdesheim und Bingen wurde bereits in den „Notizen aus dem Stadt-Archiv“ Nr. 16 vieles berichtet und dabei auch die Explosion des Fährdampfers „Luise“ im Jahre 1876 erwähnt. Da bei dieser Katastrophe immerhin 11 Menschen getötet wurden, soll sie heute noch einmal mit näheren Einzelheiten erläutert werden.
Jahrhunderte lang übten die Rüdesheimer und Binger Fährschiffer (auch „Ferger“ oder „Nächler“ genannt) ihr Handwerk mit geräumigen Rudernachen aus. Endlich wollten sie aber mit der Zeit gehen und die Dampfkraft als technischen Fortschritt für eine raschere und bequemere Überfahrt nutzen. Also taten sich 9 dieser Fährschiffer unter dem Vorsitz von Leonhard Sinsig (dessen Familie in Rüdesheim schon seit Generationen „schiffisch“ war) zusammen und kauften 1872 für 2300 Reichsthaler einen kleinen Schaufelrad-Dampfer, den sie „Luise“ tauften. Dieses Schiff war 1869 gebaut worden und bislang als Fährschiff zwischen Koblenz und Vallendar in Betrieb. Für den Dampfantrieb hatte die Kesselschmiede Georg Utelhöfer in Köln-Kalk einen kleinen Dampfkessel geliefert, der mit 2 Sicherheitsventilen und 2 Mannlöchern zur Inspektion des Kesselinneren ausgestattet und für 6 atü Betriebsdruck ausgelegt war. Unsere Schiffer hatten aber noch nicht viel Erfahrung im Umgang mit Dampfmaschinen und deshalb auch nicht für eine regelmäßige Kesselüberwachung gesorgt.
Als Anfang 1876 der Kessel ständig Wasser verlor, baten sie die Maschinenfabrik Avenarius in Gaulsheim, den Kessel einmal nachzusehen und instandzusetzen. Werkmeister Heinsen von den Firma Avenarius stellte dabei fest, daß nicht nur die beiden Sicherheitsventile wegen schadhafter Dichtungen mit Holzkeilen blockiert waren, sondern auch der äußere Kesselmantel an jener Seite, an welcher ständig der Heizkohlevorrat lagerte, stark angerostet und nur noch 1-2 mm stark war. Angesichts dieser Mängel weigerte sich Avenarius, den Kessel wieder betriebsfähig zu machen, so lange nicht die Binger Kreisbaubehörde als amtliche Kesselüberwachung zu einer Reparatur ihre Zustimmung gäbe. Am besten sei es, einen ganz neuen Dampfkessel einzubauen. Doch der Heizer des Schiffchens, Peter Joseph Delahaye und der Steuermann Wilhelm Bär meinten, dieser Aufwand lohne sich nicht, da ohnehin über kurz oder lang die „Luise“ durch ein neues Dampfschiff ersetzt werden solle.
Nachdem der Binger Kreisbaumeister Louis einer Kesselreparatur zugestimmt hatte, Avenarius aber immer noch Bedenken äußerte, wurde am 28. April 1876 der Rüdesheimer Schlosser K. Nägler beauftragt, die lecke Stelle am Kesselmantel durch ein aufgenietetes Eisenblech abzudichten. Doch bevor dieser sein Flickwerk vollenden konnte, kam es, wie es nach Meinung von Avenarius kommen mußte:
An einem milden Frühlingssonntag, dem 30. April 1876 bestiegen am Rüdesheimer Landeplatz vor „Lauters Durchlaß“ (einer Unterführung der Eisenbahngleise gegenüber der Drosselgasse, heute längst zugemauert) 27 Fahrgäste die „Luise“, um fahrplanmäßig um 14.30 Uhr überzusetzen. Diese Schar der Passagiere war ausnehmend groß, denn viele von ihnen wollten in Kempten Kerb feiern. Wenige Minuten vor Abfahrt bemerkte der Heizer Delahaye, daß der Wasserstand im Kessel fast auf Null abgesunken war. Schleunigst bediente er die Speisepumpe, um den Kessel wieder mit Rheinwasser zu füllen. Doch gerade das war der ärgste Fehler, denn das einströmende Wasser verdampfte sofort an dem rotglühenden Flammrohr, es entstand schlagartig ein gewaltiger Überdruck, der in einer Explosion den Kessel und das Schiff auseinanderriß. Der Kesselmantel brach aus der Halterung und stieg wie eine Rakete senkrecht nach oben, um dann in einer steilen Kurve 83 Meter weiter im Weinberg vor der Boosenburg zu landen. Der Kesselboden und die Schiffsglocke flogen gar 91 Meter weit über die Brömserburg hinweg bis in den Bienengarten.
Die Passagiere wurden allesamt ins Wasser oder ans Land geschleudert, vielfach schwer verletzt durch die umherfliegenden Maschinentrümmer oder vom auströmenden Dampf. Wer sich nahe beim Kessel befunden hatte, wurde augenblicklich getötet: der Heizer Peter Josef Delahaye aus Bingen, die Brüder Karl und Franz Siegfried aus Geisenheim und Luise Nachelsky, Magd bei dem Rüdesheimer Gutsbesitzer Ph. A. Corvers, welche aus Gneisen/Ostpreußen stammte. Ferner der Rüdesheimer Josef Kremer und sein Kind, sowie der Geisenheimer Schreiner Caspar Fröhlich, dessen Leiche erst in Lorch geländet wurde. Wie viele andere Passagiere wurde auch die Ehefrau des Rüdesheimer Bahnwärters Scholl ins Wasser geschleudert, doch konnte sie nicht schwimmen und ertrank. Ihre Leiche wurde nach Tagen in Kaub geländet, aber zunächst von der Kriminalpolizei beschlagnahmt, da sie ihres Schmuckes beraubt war.
Georg Joseph Roos, der seinen Bruder, den Rüdesheimer Bahnhofswirt besucht hatte und auf dem Heimweg nach Dromersheim war, wurde mit schwersten Verletzungen in das kath. Schwesternhaus auf dem Markt geschafft, wo ihm Sanitätsrat Georg Brömser ein völlig zerfetztes Beim amputieren mußte. Dennoch erlag Roos wenige Tage später den schlimmen Verbrühungen. Auf kuriose Weise überlebte die Gattin des Rüdesheimer Gutsbesitzers Josef Glock das Unglück: Mit ihrem Kind auf dem Arm wurde sie in hohem Bogen in den Rhein geschleudert, doch blähte sich der weite Taftrock ihres Kleides wie ein Ballon auf und hielt die beiden gleich einem Schlauchboot solange über Wasser, bis sie von einem Kahn gerettet wurden.
Der Beisetzung der Rüdesheimer Todesopfer folgten im Trauerzug nahezu 1000 Menschen zum Friedhof.
Die Fahrgemeinschaft in Frei-Weinheim und der Hafenverkehr mit Sprengfahrt und Marktfahrt
Autor: Hartmut Geißler nach Burger (BIG 3, 1951, S. 53 – 75)
1. Die Fahrgemeinschaft bis zu ihrer Auflösung in französischer Zeit
Im Schiedsspruch von 1430, der die Streitigkeiten zwischen Kurmainz und Kurpfalz wegen des Rheinverkehrs, des Weinheimer Krans und seiner Gebühren geschlichtet hatte, hatte Kurpfalz sich auch das alleinige Recht auf den Fährverkehr zwischen Ingelheim und Mittelheim/Winkel auf der anderen Rheinseite zuschreiben lassen. Vorher hatte es an dieser Stelle des Rheins anscheinend keinen regelmäßigen Fährverkehr gegeben, sondern nur einen nach dem (relativ geringen) Bedarf.
Streitigkeiten zwischen den beiden Kurstaaten hat es später – im Unterschied zum Kranenrecht – nicht gegeben, wohl weil der wirtschaftliche Ertrag recht gering war. Für Kurpfalz war aber anscheinend das Recht dazu an sich von Wichtigkeit.
Burger erwähnt S. 59 einen Fall aus dem Jahre 1707, als einerseits die Weinheimer Fähre auf Winkeler Ufer „arretiert“ worden war und andererseits zwei Schiffer von dort in Weinheim festgenommen wurden und einige Tage im Ober-Ingelheimer Gefängnis (wahrscheinlich im heute so genannten Malakoff-Turm) saßen, bis sie auf Intervention des Mainzer Vicedoms, des Freiherrn von Greiffenclau-Vollraths, entlassen werden mussten. Ihnen war vorgeworfen worden, durch eigenmächtiges Übersetzen von einigen Pferden das Weinheimer Fährprivileg verletzt zu haben. Solche kleineren Zwischenfälle gab es also, besonders in Kriegszeiten, wenn die Bewohner beider Ufer auf verschiedenen Seiten standen.
So sollten auf Befehl des Vicedoms zwischen 1703 und 1707 die Weinheimer Boote am Winkeler Ufer übernacht bleiben, damit nächtliche Überfälle von Pfälzern auf Rheingauer Gebiet unterblieben. Dort wurden die Boote aber in der Folgezeit zerstört, so dass sich die Weinheimer bei der Pfälzer Regierung über den wirtschaftlichen Schaden beklagten. Auf den Seiten 61 – 63 listet Burger mehrer solcher Vorkommnisse auf, die ja auch zeitweise parallel zu den Streitigkeiten um die Kranenrechte verliefen.
Ein Versuch der (kurmainzischen) Heidesheimer, in Heidenfahrt 1719 einen eigenen Fährdienst einzurichten, in Durchbrechung des Weinheimer Privilegs, konnte mit juristischen Mitteln abgewehrt werden.
Die ständige Realisierung dieses Rechtes wurde der Gemeinde Weinheim insgesamt übertragen, die zu diesem Zweck eine Art Zwangsgenossenschaft aller männlichen Bürger des Ortes bilden musste. Das bedeutete, dass täglich sechs Mann in zwei Nachen eine Art Pendelverkehr zwischen beiden Rheinseiten anbieten mussten, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, natürlich auch nur bei Bedarf. Die näheren Umstände der Bildung dieser Genossenschaft sind urkundlich nicht überliefert. Erst in der überlieferten Dorfordnung von 1596 finden sich Elemente davon.
Bei einer Bevölkerungszahl der männlichen Bürger dieses kleinen Ortes zwischen 19 Personen (im Jahre 1653) und 40 Männern (Ende des 18. Jh.) ergibt das eine Belastung aller Mitglieder der Fahrgemeinschaft von sieben Tagen alle drei bzw. sieben Wochen. Besonders anstrengend wird dieser Fährdienst bei normalem Wetter aber selten gewesen sein, denn bei der geringen Nachfrage (s. u.) werden die diensthabenden Fährleute die meiste Zeit wohl nur gewartet haben.
Jeder Bürger war Miteigentümer der Boote, zu deren Neuanschaffung oder Reparatur auch jeder beitragen musste, sofern die Rücklagen aus den Einnahmen dazu nicht ausreichten. Die (wohl eher geringen) Tageseinnahmen wurden zwar täglich unter den sechs Diensthabenden aufgeteilt, aber davon musste jede Gruppe („Partei“) wöchentlich 30 Kreuzer an einen „Segelmeister“ abliefern, den Vorsteher der Fahrgemeinschaft, der abrechnete und das Geld in einen Reparaturfonds ablieferte. Reichte dieser nicht aus, etwa weil durch Kriegsfolgen Boote unbrauchbar gemacht oder verschleppt worden waren, so wurde auch eine nach Besitz gestaffelte Umlage erhoben.
Ein „Schiffgeld“ als Einstand mussten außerdem sowohl die jungen Bürger mit eigenem Hausstand zahlen, sobald sie in den Fährdienst aufgenommen wurden, als auch die neu in die Gemeinde Zuziehenden. Wer Vollbürger werden wollte, musste ebenfalls – außer dem Bürgergeld – ein Schiffgeld zahlen. Sogar in Weinheim ansässige Nichtbürger und Witwen hatten Beiträge in den Fonds zu zahlen.
Schon in französischer Zeit, aber noch vor der Privatisierung gab der „Maire“ (Bürgermeister) von Frei-Weinheim 1802 einen Bericht, in dem es unter anderem über die Besitz an Schiffen, die Eigentumsverhältnisse und über die Preise heißt:
Schiffahrt auf dem Rhein: Diese bestehet in einer von den deutschen Truppen zerhauenen Nähe [Nachen] vor [für] Wagen samt Vieh – dann in zwei Fahr-Nächen für Menschen zum Uebersetzen, und dieses sämtlich ist den hiesigen Bürgern als ein privates Eigentum.
Die Passierenden müssen bezahlen: eine einzelne Person 4 Kr., zwei Personen jede 2 Kr. und so fort; ein Reuter samt Pferd 12 Kr.; ein Pferd ohne Reuter 12 Kreuzer; ein Karren mit zwei Räder und 1 Pferd 16 Kr.; ein dito mit 2 Pferd 24 Kr.; ein leer Wagen mit 2 Pferd 30 Kr.; ein geladener dito mit 3 Pferd 1 fl.; ein dito mit 4 Pferd 1 fl. 12 Kr.“
Der Bericht stellt auch fest, dass sich die Männer der Fahrgemeinschaft wegen des geringen Verdienstes, der damals zwischen 1/4 und 1/2 Tagelohn lag, keinen Tagelöhner als Arbeiter dafür leisten konnten, sondern den Fährdienst selbst versehen mussten. Allerdings war der Verkehr über den Rhein hinweg in französischer Zeit besonders gering wegen der strenge französischen Zollbestimmungen, denn der Rhein bildete ja die Grenze zu „Deutschland“.
Unter französischer Verwaltung im Departement Mont Tonnerre wurde die aus dem Mittelalter stammende Fahrgenossenschaft aufgelöst bzw. privatisiert, d.h. das Fährgeschäft an Privatunternehmer verpachtet; das erste Mal 1803 für drei Jahre zu 430 fr. 97 cts. jährlich, die an die Gemeinde flossen, die sie aber an die Bürger verteilte, weil diese als weiterhin Eigentümer der Schiffe auch für deren Instandhaltung aufkommen mussten.
Nach Ablauf der Dreijahresfrist konnten die Weinheimer nur mit Mühe verhindern, dass das Fährgeschäft in Weinheim ganz eingestellt wurde; die Schiffe sollten sogar an eine neue Fährstelle in (Bingen-) Gaulsheim verlegt werden.
Ab dem Jahre 1809 nahm der französische Staat den Weinheimer Fährbetrieb (und seine Einnahmen) als herrschaftliches Regal selbst in Anspruch. Alle Proteste der Weinheimer halfen nichts; erst später erhielt die Gemeinde von der hessen- darmstädtischen Regierung, die 1816 Rheinhessen übernommen hatte, eine einmalige Abfindung von 1124 fr. 15 cts. aus den Pachteinnahmen.
Burger schließt diesen Überblick über die Geschichte der „Fahrgemeinschaft“ mit dem Kommentar (S. 65):
„Anschauungen der neuen, einer liberalen Wirtschaftsauffassung huldigenden Zeit und fiskalische Interessen hatten endgültig mit den Werken eines durch die Jahrhunderte hindurch bewährten Gemeinschaftsgeistes aufgeräumt. Nichts hatte den Frei-Weinheimern ihr Kampf um ihre alten Gerechtsamen geholfen – nicht auch die umfangreichen, aus der Advokatenstube stammenden Denkschriften, durch die sie ihren Standpunkt zu verteidigen suchten. Nur eines verschaffte ihnen einen Vorsprung vor den Nachbargemeinden: Frei-Weinheim hatte durch seine bisherige Monopolstellung im Überfahrdienst sowohl personell, wie auch materiell (Zahl und Beschaffenheit der Boote) einen Vorsprung, der nicht so schnell eingeholt werden konnte.“
2. Der frühere Hafenverkehr in Frei-Weinheim (nach Burger)
Welche Produkte und in welche Mengen über den Frei-Weinheimer Hafen verschifft wurden, darüber hat Burger nur dürftige Nachrichten gefunden, detailliertere nur in den Zeugenvernehmungen des Notars Nolten von 1746 und 1747 sowie in einem Bericht des Nieder-Ingelheimer „Fauths“ (= Vogts) aus dem Jahre 1689.
Daraus ergibt sich, dass es überwiegend der Wein aus dem pfälzischen Hinterland war, der in Weinheim auf Schiffe verladen wurde, sowie Holz, das hier für das holzarme Rheinhessen angelandet und auf einem speziellen Holzhof gestapelt wurde. Nur der Pächter dieses (kurpfälzischen) Stapelplatzes war berechtigt Holzhandel zu treiben.
Früchte, Essig, Branntwein, Kohl dürften in kleineren Mengen ebenfalls ausgeführt worden sein, die Anlandung eines Fasses mit Heringen aus Holland war schon ein besonderes Ereignis.
Insgesamt, so urteilt Burger (S. 68), „war der Hafen als Umschlagplatz für Waren von nicht allzu großer Bedeutung“.
Zusätzlich Einnahmen ergaben sich noch durch Gebühren, die Schiffe zahlen mussten, wenn sie bei Eisgang im Weinheimer Hafen Schutz suchten. Der Hafen scheint damals eine vergleichsweise günstige und geschützte Lage gehabt zu haben.
Die Zeit der französischen Herrschaft mit dem Rhein als Grenze hat dem Hafen sehr geschadet, und auch die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts waren – nach Burger – von einem weiteren Niedergang des Hafens geprägt, der erst mit der Industrialisierung einen neuen Aufschwung erlebte.
3. Die Sprengfahrt (nach Burger)
„Sprengfahrt“ nannte man das Übersetzen der Treidelpferde über Rheinarme und Buchten. Sie war zwar mit dem Fährbetrieb organisatorisch verbunden, brachte aber nur sehr geringe Einkünfte, die gesondert verrechnet wurden. Auch dieser Dienst setzte eine ständige Bereitschaft voraus und begann am „Hollerberg“ (in der Gemarkung Sporkenheim an der Grenze zur Gemarkung Gaulsheim).
4. Die Marktschifffahrt (nach Burger)
Sie war immer verpachtet und ging entweder nach Bingen oder nach Mainz. Die Pachtsumme floss direkt in die Gemeindekasse. Ihren finanziellen Höhepunkt erreichten diese Fahrten 1773, danach nahmen die Einnahmen wieder ab. Behinderungen dieser Schifffahrt oder Streitigkeiten darüber sind nicht bekannt. Burger nimmt den Beginn dieser regelmäßigen Marktfahrten im 16. Jahrhundert an. Befördert wurden in erster Linie Waren, aber die Mitnahme von Personen erscheint ihm nicht ausgeschlossen.